Aktuell

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Ex Nihilo

Fr., 17. Okt. 25So., 14. Dez. 25

Wie entsteht eigentlich Kunst? Die Ausstellung „Ex Nihilo“ hinterfragt den Mythos vom künstlerischen Schaffen aus dem Nichts. Sie zeigt, wie künstlerische Wissens- und Werkproduktion in Praktiken wie rumlaufen, diskursiv cornern, ausschlafen, verweigern,

Wie entsteht eigentlich Kunst? Die Ausstellung „EX NIHILO – Prozesse künstlerischer Arbeit“ hinterfragt den Mythos vom künstlerischen Schaffen aus dem Nichts. Sie zeigt, wie künstlerische Wissens- und Werkproduktion in Praktiken wie rumlaufen, diskursiv cornern, ausschlafen, verweigern, basteln, zerstören und ausstellen Gestalt gewinnt.

17. Oktober 2025 – 14. Dezember 2025

Künstler*innen: Yesim Akdeniz, Havîn Al-Sîndy, Friedrich von Borries, Campus Walks, Valerie Feldhaus, Daniela Georgieva, HFBK – Seminar von Borries, Bastian Hoffmann, Kadji Elisabeth, Andrea Pichl, Martin Pfeifle, Peter Piller, Daniel Poller, Practic_Transform’25, Corinne Riepert, Cordula Sauer, Julia Schade, Lennart Schneider, Richard Seel, Samuel Treindl

AUF DEM GESCHWISTER-SCHOLL-PLATZ

Martin Pfeifle DUSK, 2025
Martin Pfeifle reagiert in seiner künstlerischen Arbeit auf die gebauten Besonderheiten der Kunsthalle Barmen und schafft einen Bezug zu der Architektur, die uns umgibt. Mit einem leichten Augenzwinkern nähert er sich dem Begriff des Monumentalen und hinterfragt die Herrschaftsbegriffe der ehemaligen Ruhmeshalle. Für die KHB hat er eine neue Arbeit entwickelt, welche die imposanten Säulen des Eingangsportals in Lampen verwandelt. Während zur Einweihung des Gebäudes von Erdmann Hartig am 24. Oktober 1900 ein überdimensionaler Teppich, Militär und Pickelhauben das Bild bestimmten, überschreibt Pfeifle 125 Jahre später den herrschaftlichen Zugang zum Gebäude mit einer wohligen Atmosphäre. Die vier Lampenschirme transformieren den herbstlich, winterlichen Außenraum in einen Begegnungsort, der zum „cornern“ einlädt und in seiner Materialität an gebastelte Schrebergärten erinnert. Die Künstlerin Daniela Georgieva wird am Do 23.10. um 18:00 mit einer Performance auf die Arbeit von Martin Pfeifle reagieren. Sie reflektiert in ihrer ortsspezifischen performativen Intervention unter anderem die Monumentalität des Gebäudes und seine Unnahbarkeit indem sie die künstlerische Praxis des “Herumlaufens” produktiv einsetzt. Mit freundlicher Unterstützung der Stadtsparkasse Wuppertal

Samuel Treindl Rotation Suggestio / Social Nudge, 2025, aus der Werkreihe: Produktionsprojekte / Forschungsstelle für anarchistische Produktion
In seinem Werk Rotation Suggestio / Social Nudge entwickelt Samuel Treindl eine prozessorientierte Betonskulptur, deren Entstehung Teil des künstlerischen Konzepts ist. In einer drehbaren Schalung wird Beton schichtweise gegossen, sodass ein Hohlkörper entsteht, der zwischen Skulptur, architektonischem Objekt und Rauminstallation oszilliert. Während der Ausstellung verändert sich die Arbeit, sie rollt, kippt und dreht sich. Die Schalung dient dabei nicht nur als Werkzeug, sondern wird selbst zum Teil der Skulptur. Unfertigkeit, Offenheit und Brüche sind zentrale Bestandteile des Werks, das keine abgeschlossene Form anstrebt. Treindl versteht es als Experiment im Sinne seiner Forschungsstelle für anarchistische Produktion (FFAP), die Gestaltungsprozesse jenseits normativer Produktionsweisen untersucht und Handwerk, Zufall und poetische Konstruktion miteinander verbindet. Das Werk wird vor der Kunsthalle auf dem Geschwister-Scholl-Platz gefertigt. Wer vorbeikommt, kann erleben wie die Skulptur sich wandelt – bis sie am Ende ausgeschalt wird: Sa 18.10. / So 26.10. / So 02.11 / Do 06.11. jeweils 14:30 – 16:00

RAUM 1

Friedrich von Borries Methoden der Kunst, 2025
Vom Rumlaufen bis zur Zerstörung – Friedrich von Borries’ Schaubild zeigt Methoden künstlerischer Wissensproduktion, die gängigen Vorstellungen von Effizienz widersprechen.Das Modell beschreibt den Entstehungsprozess von Kunst als Abfolge prägnanter Phasen, die jede Form genialischer Verklärung vermeiden: rumlaufen, diskursiv cornern, ausschlafen, verweigern, basteln, zerstören, ausstellen und wieder von vorn beginnen. Der Prozess beginnt mit dem ziellosen Umherwandern und dem Sammeln von Eindrücken im Stadtraum, ähnlich dem Flanieren bei Walter Benjamin oder der Promenadologie nach Lucius Burckhardt. Auch das „Cornern“, das Verweilen im öffentlichen Raum wird als soziale Praxis verstanden, in der Gespräche und Ideen entstehen. Ruhe, etwa durch Ausschlafen, ist keine Untätigkeit, sondern eine wichtige Denkphase. Verweigerung und Basteln stehen für Widerstand und Improvisation, besonders unter Bedingungen des Mangels. Am Ende steht die Sichtbarmachung im öffentlichen Raum oder die bewusste Zerstörung als Teil eines fortlaufenden kreativen Zyklus.

Daniel Poller Unter den Linden, 2025
Daniel Poller ist ein fotografischer Beobachter des urbanen Raums, der den Blick auf Feinheiten der gebauten Umwelt und die darin vorhandenen Lebewesen lenkt. Er reflektiert dabei das Wechselspiel zwischen Geschichte, Stadtraum und Natur. Die Serie „Unter den Linden“ basiert auf seiner Langzeitauseinandersetzung mit Eucallipterus tiliae, besser bekannt als Lindenblattlaus. Dieses nur wenige Millimeter große Lebewesen greift alljährlich durch seine Ausscheidungen in das Leben der Großstädte massiv ein, indem es flächendeckend alles mit sogenanntem Honigtau überzieht. Seit mehreren Jahren spürt Poller diesen Kleinstlebewesen und ihren Überresten nach. Zu diesem Zweck bewegte und bewegt sich der Künstler immer wieder entlang der Alleen, die die knapp 190.000 Linden Berlins bilden. Im natürlichen Habitat der Tiere stieß er dabei immer wieder auf ausgebrannte Autowracks, die als stumme Zeugnisse vernichteter Wohlstandssymbole auch unter den Bäumen zu finden waren.

Yeşim Akdeniz New Faces in Town, 2025
In New Faces in Town konstruiert Yeşim Akdeniz ironische wie poetische Objekte, die zwischen industrieller Serienfertigung und handwerklicher Arbeit oszillieren. Im Zentrum stehen skulpturale Lampen, deren Basis ein Koffer bildet und die aus fabrikgefertigten Schuhen sowie handgeschweißtem Eisenelementen komponiert sind. Die hybriden Objekte erzählen von Mobilität, Migration und Arbeit, erkennbar an den Materialien und deren Herkunft. Intuitiv erfassbar in der Erzählung die mit der Zusammenfügung der einander fremden Objekte einhergeht. Akdeniz zeigt uns, wie scheinbar alltägliche Dinge wie Schuhe, Koffer und Lampen stille Zeugen größerer Systeme werden: Lieferketten, Arbeitskraft, globaler Konsum und unsichtbare Machtverhältnisse. New Faces in Town öffnet einen Raum, in dem wir Objekte neu denken und erkennen, wie vieles von dem, was uns umgibt, Geschichten trägt, die wir bei sorgfältiger Betrachtung lesen können. Yeşim Akdeniz Self-Portrait as an Orientalist Carpet, 2025 Die fortlaufende Serie Self-Portrait as an Orientalist Carpet besteht aus großformatigen Textilarbeiten, die an traditionelle anatolische Decken erinnern. Einst über Generationen weitergegeben, ist dieses Handwerk zunehmend von industrieller Fertigung verdrängt worden. Die Serie untersucht einerseits den Orientalismus, andererseits hinterfragen diese Arbeiten, indem sie Selbstrepräsentation mit dekorativen Motiven verbinden, festgeschriebene Vorstellungen von Kultur, Identität und Authentizität und verwischen die Grenzen zwischen Porträt und Textil. So erkunden sie, wie Identitäten – sowohl im wörtlichen als auch im übertragenen Sinn – in kulturelle und historische Narrative eingewebt sind.

Campus Walks 2019-2025/2015
Valerie Feldhaus, Aaron Göke, Jessica Grah, Michelle Huhn, Josef Kirschner, Sophie Klein, Philine Lammert, Laura Ruiz Moreno, Ben Joy Muin, Fabian Nette, Luisa Reinhard, Eva Rosen, Sarah Sewering, Paul Schraa, Michelle Sobotta, Mia Timofte, Teresa Usai Wie nehmen wir unser alltägliches Umfeld wahr – und was übersehen wir dabei? Seit 2019 erforschen Studierende des Fachbereichs Kunst der Bergischen Universität Wuppertal im Kurs „Fotografie II“ bei Christoph Westermeier ihre Umgebung mit Kamera oder Smartphone. Auf ihren Spaziergängen bewegen sie sich als „Touristen“ über den eigenen Campus und achten auf Nebensächlichkeiten, an denen sie sonst vorbeigehen. Vor jeder Tour entstehen Schlagwörter, die zur Beobachtung anregen: Durchblicke, Zitate, Perspektivverschiebungen, Farbkontraste, Übergänge. Als theoretische Referenz dient Lucius Burckhardt, der mit seinen „Spaziergangswissenschaften“ das Sehen des Alltäglichen prägte. Die Ausstellung zeigt einen Ausschnitt dieser wachsenden fotografischen Erkundungen aus sechs Jahren: zu sehen sind unter anderem ehemalige Studierende, die heute an Kunstakademien in ganz NRW studieren; das Unigebäude zeigt sich als wandelnde Lernmaschine, die ständig renoviert wird. Christoph Westermeier lädt am 27.11.um 18:00 zum Foto-Workshop “Barmen Walk” ein.

RAUM 2

Cordula Sauer ohne Titel, 2023 – 2025
Seit den 1990er Jahren untersucht die Künstlerin in ihrer Arbeit die Beziehung von Menschen zu Räumen. In jüngerer Zeit richtet sich der Blick verstärkt auf Interieurs und Erinnerungsorte. Inspirationsquellen sind Möbelhausprospekte, Fotografien von Wohnungseinrichtungen, Stoffmuster und die Orte der eigenen Biografie. Der künstlerische Prozess gleicht einem Schichten und Verweben. Das Graben in Erinnerungen und das Wühlen in Sammlungen von Bildern und Materialien werden zum Ausgangspunkt für Studien. Beobachtungen des menschlichen Miteinanders f ließen ebenso ein wie Experimente mit Druck-, Mal- und Kratztechniken, die haptische Qualitäten von Stoffen oder Oberflächen ins Bild übertragen. Das Übereinanderlegen von Zeichnungen auf Transparentpapier schafft Bildräume, in denen Figuren, Texturen und Perspektiven ineinander greifen. Peter Piller Es entstehen Kompositionen, die zwischen Abstraktion und erzählerischer Andeutung oszillieren. Sauers Bildwelten eröffnen Räume für eigene Geschichten. Texturen von Stoffen, Couchbezügen oder Teppichböden rufen Erinnerungen wach, während sie zugleich als abstrakte Formen neue Assoziationen ermöglichen.
Corinne Riepert Elastic Kin, 2025 // Elastic Kin nennt die Künstlerin eine Reihe von Textilobjekten, die aus gebrauchter Kleidung entstanden sind. Die Kleidungsstücke findet sie auf ihren Wegen durch Großstädte. Es sind verlorene, weggeworfene und vergessene Textilien. Zu neuen Körpern verbunden, existieren sie unabhängig vom Menschen, tragen aber weiterhin Spuren früherer Nutzung. Diese erzählen von Verwandtschaften und Geschichten, aber auch von globalen Verflechtungen: Lieferketten, Arbeitskräften, Konsumgewohnheiten, von der Flüchtigkeit von Trends und der Spannung zwischen Massenproduktion und Handarbeit. Ein Video erweitert die Arbeit erzählerisch. Als wandelnde Figuren bewegen sich die Elastic Kin durch den urbanen Raum, irritieren mit ihrer stillen Präsenz die Routinen des Konsumalltags und verschmelzen schließlich zu einem kollektiven Textilkörper. Field Recordings aus textilen Umgebungen schaffen eine akustische Ebene, in der Stoff, Klang und Bewegung zu einem Geflecht werden, das Fragmente der Konsumgesellschaft reflektiert und neue Formen von Zugehörigkeit imaginiert. Corinne Riepert bietet am Sa 15.11. ab 14:00 einen kostenlosen Workshop in der Kunsthalle Barmen an, bei dem es um experimentelle Textproduktion zum Thema Textil geht. Der Workshop dauert etwa 5 Stunden. Melden Sie sich gerne über kontakt@kunsthallebarmen.de an, wenn Sie teilnehmen möchten!

Peter Piller Hochschulzeichnungen, 2016–2023 Courtesy of Galerie Barbara Wien
Die Lehre an Universitäten, Hochschulen und Akademien besteht nicht nur aus Seminaren, Kolloquien und Vorlesungen, sondern auch aus akademischer Selbstverwaltung mit langen Dekanatstreffen, Konferenzen und endlosen Bahnfahrten. Peter Piller, der von 2006 bis 2018 an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig und seit 2018 an der Kunstakademie Düsseldorf lehrt, hat diesen Alltag in ein künstlerisches Projekt umgewandelt. Auf Briefkopfpapieren, Bahntickets und Hotelblöcken gibt er mit den Hochschulzeichnungen einen tagebuchartigen Einblick in das Leben eines Lehrenden. Die Zeichnungen sind assoziative Gedanken, die zum Tagträumen einladen.

Lennart Schneider Ohne Titel, 2024
Lennart Schneider untersucht in seiner Arbeit das Verhältnis zwischen seinem Körper und einer Parkbank. Mit komödienreifem “Deadpan” Gesichtsausdruck, also völlig emotionslos, erprobt er zahlreiche Haltungen und betont so die Absurdität seines Versuchs lakonisch. Die Arbeit bezieht sich auf Valie Exports Werkreihe Körperfigurationen, in der sich die Künstlerin in den 1970er Jahren mit Körper, Raum und gesellschaftlichen Normen auseinandersetzte. Auch Schneider nutzt unbequeme, ungewöhnliche Posen, um über Körperbilder und soziale Rollen nachzudenken. Seine Fotografien erinnern zugleich an Menschen ohne festen Wohnsitz, die Parkbänke als einzigen Ort der Ruhe oder Begegnung nutzen und sich dabei ständig den Blicken anderer ausgesetzt sehen. Heute werden viele dieser Orte durch Stadtgestaltung so verändert, dass längeres Verweilen kaum möglich ist. Damit verweist Schneiders Arbeit auf Kontrolle, Ausschluss und den Verlust öffentlicher Aufenthaltsräume.

Peter Piller Schlaf, 2009-2011
„Schlaf“ vereinigt in einem Künstlerbuch 38 ganzseitige Fotografien, die Peter Piller im Schlaf zeigen. In der Kunstgeschichte wird der Schlaf immer wieder als mythischer Moment thematisiert und auf vielfältigste Art künstlerisch bearbeitet. Während beispielsweise der jugoslawische Künstler Mladen Stilinović 1978 eine Serie schuf, die ihn beim Schlafen zeigt und mit dem Titel „The Artist at Work“ versah, öffnet Piller mit seiner Serie Schlaf den Diskurs zu Intimität und Autorenschaft. Die Fotos wurden von seinem damals achtjährigen Sohn aufgenommen und bestechen in ihrer Direktheit. Peter Piller hat sich bewusst für die Form des Künstlerbuchs entschieden, um den privaten Rahmen der Bilder zu wahren.

RAUM 3

Bastian Hoffmann FLATSIX, 2019
In seiner “Porschepfütze” verdichtet Bastian Hoffmann seinen konzeptuellen Umgang mit dem ideellen Wert von Ding auf eindrucksvolle Weise: Der Aluminium-Motorblock eines Porsche wurde eingeschmolzen und zu einer scheinbar zufälligen, amorphen Form gegossen. Die Form gleicht einer banalen Pfütze, flach, silbrig glänzend, ohne Funktion.Die Arbeit spielt mit der Umwertung eines Symbols für technische Präzision und Luxus. Was einst Hochleistungsmaschine war, ist nun gegossene Trägheit und somit ein „technischer Totalschaden“ in ästhetischer Veredelung. Hoffmanns subtile Ironie bleibt präsent: Die „Pfütze“ als Überrest eines fast schon mystisch aufgeladenen Objekts stellt Fragen nach Form, Bedeutung und dem Verhältnis von Zerstörung und Schöpfung in der Kunst.
Bastian Hoffmann How to turn a Porsche into a painting, 2023 In seiner Arbeit untersucht Bastian Hoffmann das Verhältnis von Wert, Materialität und Kunstproduktion. Ausgangspunkt ist ein Porsche Cayenne, das Symbol für Luxus und Status schlechthin, der in einem aufwändigen Prozess zu Staub verwandelt wird. Aus Metall, Plastik, Gummi und Glas entstehen Pigmente, die Hoffmann zu monochromen Gemälden verarbeitet. Diese radikale Geste ist zugleich performativer Akt und konzeptueller Kommentar: Was geschieht, wenn ökonomischer Wert zu ästhetischem „Wert“ wird? Wie verwandelt sich ein Symbol für Mobilität und Besitz in ein kontemplatives Bild? Mit Bezug auf DIY-Kultur und Selbstermächtigung fragt Hoffmann humorvoll, ob Kunst auch eine Frage des richtigen Tutorials sein kann. Hinter der Ironie allerdings steht ein höchst präziser Prozess: Die Transformation des Porsche ist technisch, logistisch und konzeptuell durchdacht und bleibt doch ein künstlerisches Experiment über Umwertung, Materialfetischismus und Produktionsprozesse.

Andrea Pichl Die Staatssicherheit der DDR, 2024 Courtesy of Galerie Nagel Draxler
Andrea Pichl nutzt Zeichnungen, Fotografien und Archivmaterial, um historische Entwicklungen sichtbar zu machen. In ihren Installationen verbindet sie gefundene Elemente zu einer kritischen Reflexion über Architektur, Ökonomie und gesellschaftliche Beziehungen. Ihre Herkunft und Alltagserfahrung werden dabei zum Ausgangspunkt einer Auseinandersetzung mit Geschichte und Gesellschaft. Pichl arbeitet mit alltäglichen, standardisierten Bauformen und Architekturelementen aus DDR-Kontexten, um darin verborgene Strukturen wie Staatsgewalt, Kapitalflüsse und Umbrüche offenzulegen. Im Zentrum der Arbeit steht ein im Archiv des Ministeriums für Staatssicherheit entdecktes Foto. Es zeigt Mitarbeiterinnen des Geheimdienstes bei einer Yoga-Übung. Die beiläufige Heiterkeit des Moments kontrastiert mit der beklemmenden Realität des Repressionsapparats. Der begehbare Pavillon eröffnet so einen räumlichen Zugang zu Fragen von Privilegien, Kontrolle und Alltagskultur.

Julia Schade The Black Tent of Childlessness, 2025
„The Black Tent of Childlessness“ ist ein typischer Titel für eine Arbeit von Julia Schade, die in ihren Mischtechniken einen weiten Bogen von träumerischen zu abgründigen Momenten spannt. Dabei spielen der Rahmen und die Präsentation eine gleich wichtige Rolle wie die Untergründe, die Julia Schade mit Schellack und Farbstiften bearbeitet. Mythische Figuren, kunsthistorische Allegorien und formsprachen des kollektiven kulturellen Gedächtnisses schaffen Bilder, die eine mehrfache Deutung zulassen. In ihrem Arbeitsprozess bezieht sich Julia Schade auf Das wilde Denken von Claude Levi-Strauss. Dies gibt ihr die Möglichkeit, sich bastelnd der Frage nach künstlerischer Wertschöpfung zu nähern. Julia Schade studierte Kunst an der Bergischen Universität Wuppertal, bevor sie 2021 an die Kunstakademie Düsseldorf wechselte und bei Yesim Akdeniz ihren Abschluss machte. Julia Schade kommt am Do 30.10. um 18:00 zu einem Künstlerinnengespräch in die Kunsthalle.

RAUM 4

Havîn Al-Sîndy A Little Bird Whispered, 2025
A Little Bird Whispered beschäftigt sich mit Lästern als sozialem Phänomen zwischen Nähe und Ausschluss. In seiner Ambivalenz verbindet es Menschen, erzeugt Spannung und verteilt Wissen, während es zugleich Machtverhältnisse, Codes und Zugehörigkeiten formt. Die Arbeit nähert sich dem Thema durch eine prozesshafte Praxis, die Beobachtung, Transformation und Übersetzung verbindet. Ausgangspunkt sind Fragen nach Körpern, Stimmen und Gesten, die Lästern hervorbringen, und den Spuren, die sie im Sichtbaren wie Unsichtbaren hinterlassen. Die Umsetzung entfaltet sich in drei miteinander verwobenen Ebenen. In einem Film bewegen sich Jugendliche durch eine unbestimmte Landschaft, begleitet von skulpturalen Vogelwesen als Sinnbilder für Spannung, Gerücht und Resonanz. Gipsvögel bilden den skulpturalen Teil der Arbeit; sie wirken im Entstehen begriffen und fungieren als stille Zeugen sozialer Praktiken. Eine großflächige Zeichnung übersetzt Vogelstimmen und Kommunikationsfrequenzen in Bewegung und macht Resonanzen sichtbar. Im Ausstellungsraum verweben sich Film, Skulptur und Zeichnung in einem Spiel von Stimmen, Zeichen, Codes und Körpern zu einer dichten Erzählung über das Lästern.

Practic_Transform’25 Künstlerische Grundlagen, Bergische Universität Wuppertal Industrial Design, Katharina Maderthaner, Anja Gronemann, Carolin Reiter, Eric Dute, Sophie Wittig, Evin Gecer, Florian Poulheim, Julian Konrads, Joyce Lyttek, Larissa Bauer, Larissa Herweg, Leonie Blum, Louis Lenz, Peppi Pelkonen, Philip Wistuba, Salome Mattausch, Shirley Lechtenböhmer, Sofiia Fedoriv
Ausgangspunkt dieses Projekts war die DDR-Zeitschrift practic, ein Bastel- und Bau-Magazin, das in Zeiten der Mangelwirtschaft praktische Anleitungen für den Alltag bot. Was damals aus der Knappheit heraus entstand, wurde für die Studierenden im 2. Semester Industrial Design zum Ausgangspunkt für vielfältige künstlerische Arbeiten, in denen ausgewählte Bauanleitungen aufgegriffen, transformiert und weiterentwickelt wurden. Alltags- und Gebrauchsgegenstände erhalten hier eine zweite, oft humorvolle, bizarre oder überraschende Ebene: Eine einfache Sport-Cap verwandelt sich in ein Salzkristallobjekt, ein Schachspiel wird aus Seife gefertigt, Hanteln funktionierten gleichermaßen als Kerzen… Neben der formalen Transformation spielen Materialexperimente eine wichtige Rolle. Mit Eierschalen, altem Brot oder Elektroschrott werden Möglichkeiten der Wiederverwertung erprobt und in neue gestalterische Kontexte überführt. So entstand beispielsweise ein Brotkorb, dessen Hauptzutat selbst altes Brot war. Die Objekte stehen für sich und verweisen zugleich weiter. In neu verfassten Anleitungen wird die Logik der Transformationen festgehalten. Daraus entsteht gleichsam ein neues practic-Heft, das die Arbeiten dokumentiert und als Open-Source-Projekt zur eigenen Weiterführung einlädt.

Kadji Elisabeth Souvenir, 2025
Kadij Elisabeths Zeichnungen gleichen einer Spurensuche nach Herkunft und Familiengeschichte. Sie bewegen sich zwischen persönlicher Erinnerung und kollektiven Narrativen, zwischen Biografie und Geschichte. Im Zentrum steht die Auseinandersetzung mit ethnischen Identitäten und die Annäherung an gegenwärtige gesellschaftliche Zustände, deren Ursprung im Kolonialismus liegen. Sichtbar werden dabei vor allem jene Spuren, die diese historischen Strukturen in individuellen Lebensläufen hinterlassen. Das Zeichnen dient Kadji Elisabeth als Werkzeug des Erinnerns. Hierbei geht es aber nicht um die Dokumentation historische Tatsachen, sondern um den Entwurf von Zusammenhängen, die in der Realität nicht existieren. In dieser autofiktionalen Praxis verschränken sich persönliche Geschichten mit größeren kulturellen Verweisen. Kadji Elisabeth Zeichnungen eröffnen einen Raum, in dem Erinnerung, Identität und Imagination miteinander verf lochten werden. Kadji Elisabeth kommt am 06.11. um 18:00 zu einem Künstlerinnengespräch in die Kunsthalle.

RAUM 5

Valerie Feldhaus gut gekaut ist halb verdaut, 2024
Seit ihrem Erststudium an der Universität Wuppertal thematisiert Valerie Feldhaus das ehemalige Wohnhaus ihrer Familie väterlicherseits in unterschiedlichen künstlerischen Medien. So erkundete sie das Haus filmisch, grafisch und erstellte ein fotografisches Verzeichnis der von ihrem Großvater erlegten und ausgestopften Tierpräparate. Seit 2022 studiert sie an der Kunstakademie Düsseldorf in der Klasse von Peter Piller. In der Arbeit „gut gekaut ist halb verdaut“ stellt Feldhaus in einem filmischen Essay die Fragen: „Wie geht man mit dem Eigentum von Personen nach deren Tod um? Wie führt man Besitztümer von Verstorbenen einem Kreislauf wieder zu?“ Das Video zeigt auf poetische Weise, welche zerstörerischen Handlungen vollführt werden müssen, um ein Edelmetall in den Kreislauf der Wertigkeit seiner ursprünglichen Bestimmung zurückzuführen. Valerie Feldhaus kommt am Do 30.10. um 18:00 zu einem Künstlerinnengespräch in die Kunsthalle.

Seminar „Verzicht“ der HFBK
Friedrich von Borries, Lasse Bork, Merabi Danelia, Vincent Gramss, Matthias Kolle, Tim-Aaron Wiebe Die Installation “Verzicht” entstand an der HFBK Hamburg in einem Theorieseminar über Verzicht. Im Raum stehen große Regale, gefüllt mit farblich sortiertem Müll, aus gegebenem Anlass in den Farben des Wuppertaler Stadtwappens. Die geordnete Anordnung verleiht dem Abfall eine irritierende Schönheit – und zeigt zugleich die Absurdität des uns umgebenden Überflusses. Sie macht sichtbar, wie maßlos wir in unserer Konsumgesellschaft verschwenden: Lebensmittel, Kleidung oder Materialien landen oft schnell und in großen Mengen im Müll. Die Arbeit lädt ein, über den eigenen Umgang mit Ressourcen nachzudenken – und darüber, wie bewusster Verzicht neue Möglichkeiten eröffnet. Von einer Podestleiter aus kann man die Installation überblicken. Auf dem Podest steht ein Schredder: Besucher*innen können ein Wort oder einen Gedanken zum Thema Verzicht aufschreiben und vernichten. So wird Loslassen zu einem gemeinsamen Erlebnis.

Richard Seel Atelierwand, 1856
In Atelierwand gewährt Johann Richard Seel Einblick in die Inspirationsquellen seiner Werke, eine Sammlung unterschiedlichster Gegenstände seines künstlerischen Interesses. Damals wie heute finden sich in Ateliers Hinweise auf die Dinge vor den Werken, auf Vorlagen und Ideenskizzen des künstlerischen Prozesses. Das Atelier wird zur Bühne vielfältiger Zeichen und Verweise. Seel arrangiert Porträtskizzen, Objekte, Bildausschnitte und persönliche Andenken auf einer gedachten Wandfläche. Die Komposition erinnert an eine Collage: Zwischenräume, Schatten und Lichtakzente erzeugen Tiefe und spannende Bezüge. Einige Motive verweisen auf Freundschaften und literarische Interessen, andere auf Erinnerungsstücke und Karikaturen. Seel zeigt in diesem Werk nicht nur sein handwerkliches Können, sondern auch Aspekte seiner Biografie und seines Selbstverständnisses als Künstler im 19. Jahrhundert. Das Bild reflektiert künstlerische Arbeit ebenso wie Fragen nach Identität, Kunst und einem Leben zwischen Bürgertum und revolutionärem Umbruch. Mit freundlicher Unterstützung der F.A.B.U. Freunde und Alumni der Bergischen Universität Wuppertal e.V.

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Künstlerinnengespräch

Kadji Elisabeth und Linda Nadji

Do., 06. Nov. 25Do., 06. Nov. 25

Kadji Elisabeth und Linda Nadji sprechen mit der Kunststudentin Hilal Oezer und Prof. Katharina Maderthaner über Erinnerung, Herkunft und Körper.
Elisabeths zeichnerische Arbeit Souvenir begibt sich auf eine persönliche Spurensuche nach Familiengeschichte und Afroeuropäismus als Prinzip des Erlebens.
Nadjis Skulpturen und Installationen kreisen um Stabilität und Fragilität – und nehmen den menschlichen Körper als erstes Zuhause.
Ein Abend über Wiederholung, Erinnerung und Verortung – mit offenem Ausgang.
Herzliche Einladung!

Donnerstag 6.11. / 18:00 – 19:30
Kunsthalle Barmen

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